Das Unternehmerdasein beginnt in den meisten Fällen mit einem Traum. Und dieser beinhaltet oftmals den Wunsch, die eigenen Talente auszuleben, Ideen in die Welt zu bringen und erfolgreich im Markt umzusetzen. Viele inspiriert die Vorstellung, Herr über das eigene Business, Chefin der eigenen Zeit zu sein. Als Gründerin hoffe ich, diesen Traum noch lange leben zu können. Als Coach begegnen mir Menschen, die mit ihrer Idee gescheitert sind. Das Scheitern beinhaltet wertvolle Erfahrungen, keine Frage. Doch mich beschäftigt aber eher der Ansatz, Scheitern zu vermeiden. Wie? Durch Selbstreflexion. Durch die Auseinandersetzung mit der eigenen (Unternehmer-)Persönlichkeit – und der „hidden agenda“.
Versteht Euch!
Selbst.Bewusst.Sein - entscheidender Faktor für Unternehmer
Die Diskrepanz von Selbstbild und Fremdbild
Nehmen wir Steffen, 45 Jahre alt, Designer. Er produziert hochwertige und dementsprechend hochpreisige Wohnobjekte, designt Shops und Wohnhäuser. Seinen Auftraggebern bleibt vor Ehrfurcht regelmäßig die Spucke weg. Steffen jedoch erwirtschaftet mit seinem Business gerade eben so das Existenzminimum. Warum? Weil er seine Dienstleistungen weit unter Wert verkauft. Wie viele Künstlerpersönlichkeiten unterliegt er seinen unbewussten Glaubenssätzen, die ihm einflüstern, nicht gut genug, nicht wertvoll genug zu sein.
Oder Maren: 38 Jahre, erfolgreiche TV-Macherin mit eigener Produktionsfirma. Ein Energiebündel ohne Gleichen, kreativ, fröhlich, immer gut gelaunt. Sie geht regelmäßig über ihre Grenzen, gönnt sich keine Pausen, betreibt Raubbau mit ihrem Körper und nimmt die Restlaufzeit ihrer inneren Batterie nicht wahr. Schon mehrfach stand sie am Rand des Burn-outs. Ihr Umfeld fürchtet: Beim nächsten Mal geht es nicht mehr gut aus.
Zwei Beispiele für ein Phänomen, das nicht nur in der Business-Welt weit verbreitet ist: Die Diskrepanz von Selbstbild und Fremdbild. Für mich als Coach ist dieses Phänomen der Karriere-Killer Nummer 1. Ist ein Unternehmer nicht selbstreflektiert, sich seiner selbst nicht bewusst – geht es früher oder später schief. Nur wer sich selbst gut kennt, kann die Fallen des Gründertums umschiffen und nachhaltig erfolgreich sein. Zur Selbstreflexion gehört es, den eigenen blinden Fleck zu entlarven. Dieser ist in jeder menschlichen Persönlichkeit verankert. Er wird immer dann aktiv, wenn ein Talent überhöht wird. Im Folgenden zehn Beispiele, wie aus einer Ressource eine Stolperfalle werden kann:
Lebensfreude führt zu fahriger Oberflächlichkeit
Leidenschaft für das eigene Business und Spaß am Leben sind wichtige Qualitäten für Unternehmer. Nur wer das liebt, was er tut, wird nachhaltig – und mit Spaß an der Sache – erfolgreich sein. Wenn allerdings zu viele Visionen von ungeliebten Tätigkeiten und den eigentlichen Aufgaben ablenken, droht ein flatterhaftes Hin- und Herspringen im Markt. Das Unternehmen erreicht kein klares Profil.
Perfektionsdrang wird zum zwanghaften Kontrollwahn
Genauigkeit und ein hoher Anspruch an die eigene Leistung – und die der Mitarbeiter – sind wertvolle Unternehmertugenden. Übersteigert sich die Liebe zum Detail und wird sie zur pingeliger Erbsenzählerei, leidet das Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter. Die eigene Unzufriedenheit überträgt sich – mit dem Ergebnis, dass das Betriebsklima mies wird, die Motivation der Mitarbeiter auf den Nullpunkt sinkt.
Individualität wird zum abgehobenen Anspruch
Immer anders als die anderen zu sein – dieses Motto kann zum Erfolg verhelfen. Siehe Apple. Den Status auch dauerhaft halten zu müssen, kann gefährlich werden. Entweder weil auch andere Anbieter gute Ideen haben oder weil der Touch fürs Besondere abdriftet in Marktbereiche, die nur noch spitze Zielgruppen erreichen. Das Besondere ist immer ein Wagnis. Kleiner Trost: Wenn es schief geht, dann wird immerhin in Schönheit gestorben.
Wissensdrang verkommt zum verkannten Geniestreich
Wissen ist Macht – bringt aber nicht immer Geld. Nur wenige Kopfgenies schaffen es, ihr besonders Fachwissen auch mit anderen Menschen zu teilen, zugänglich zu machen. Und sollte es doch gelingen, bleibt der menschliche Austausch auf der Strecke. Zwischenmenschliche Beziehungen und Networking gehören zum Unternehmertum dazu! Wer sich nicht mitteilen kann, ruiniert sein Geschäft – und auch sein Privatleben.
Sicherheitsdenken blockiert spontane Entscheidungen
„Soll ich – oder soll ich nicht? Was passiert, wenn ich mich für links entscheide? Woher soll ich wissen, dass rechts nicht besser oder richtiger ist?“ Wer ständig zweifelt und sich mehr absichern als mutig in den Markt stürzen will, wird früher oder später über die mangelnde Entscheidungsfreudigkeit stolpern. Auch wenn es mal die Falsche ist: Nichts ist für das eigene Business riskanter als gar keine Entscheidungen zu treffen.
Der Wille zur Macht führt zum Regelbruch
Vorschriften und Regeln? Gelten für andere. Ich entscheide, was gemacht wird – und wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Wer als autoritärer Pate das Unternehmen regiert darf sich nicht wundern, wenn Mitarbeiter sich gegen den „Top down“- Stil wehren und aus Angst vor Bestrafung krumme Dinger drehen. Der VW-Skandal ist ein gutes Beispiel für diese Führungsfalle. Und: Wer auf dem Thron sitzt, muss immer mit Rebellen rechnen!
Liebe für die Mitmenschen führt zum Helfersyndrom
Eine gesunde Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter gehört zu den modernen Tugenden eines Unternehmers. Genauso wie eine gesunde Selbstfürsorge. Wenn die eigene Aufmerksamkeit sich nur darauf ausrichtet, dass es allen Mitarbeitern gut geht, leidet die Delegationsfähigkeit. Wer nur noch für andere da ist und arbeitet, verliert an eigener Kraft. Das Ergebnis: Running on empty. Das gilt dann für das Unternehmen und den Menschen.
Überorientierung am Erfolg führt zur Selbstverleugnung
Der Aufbau eines eigenen Unternehmens fordert Opfer und Verzicht. Man hat wenig Zeit für Sport und Familie, Freunde und den Müßiggang. Kein Problem – wenn diese Phase auch ein Ende findet. Wer nur unter dem Schreibtisch schläft und der Meinung ist, das sei schon in Ordnung, täuscht sich selbst und andere. Mag die Arbeit noch so viel Freude machen und leicht von der Hand gehen: Irgendwann rächt sich der Körper. Mit einem Burn-out.
Harmoniesucht führt zu Konfliktvermeidung
Gut, wenn man sich mit Kunden und Mitarbeitern gut versteht, das Miteinander harmonisch ist. Niemand fühlt sich wohl, wenn der Arbeitsalltag durch Kleinkriege beherrscht wird. Doch wer zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen permanent aus dem Weg geht, verliert auf Dauer die Führung. Irgendwann lassen sich schwelende Konflikte nicht mehr unter den Teppich kehren – und dann knallt es fürchterlich!
Kampfeslust ermüdet und frisst unternehmerische Kraft
Sich im Markt durchbeißen, gegen alle Widerstände kämpfen und gewinnen: Solche bescheren tiefe Glücksgefühle – die allerdings nicht nachhaltig sind. Wer permanent das Prinzip Contra lebt, verliert den roten Faden und kämpft letztlich gegen sich selbst. Kampf verwehrt den Zugang zum Flow. Manche Dinge entwickeln sich auch, ohne dass man für sie kämpfen muss. Besser die eigenen Ressourcen schonen und nicht alles durchboxen!